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Obwohl ich aus dem nahe gelegenen Bremerhaven komme, war es für mich das erste Heimspiel nach dem Umbau des Weserstadions.

Es war traumhaftes Fußballwetter – ungefähr 20 °C Ende September. So traf sich die Gruppe grün-weißer Sachsen schon mittags zum gemeinsamen Essen. Ich stieß am frühen Nachmittag dazu, so ging es weiter zum Eislabor im Viertel. Dass es hier sehr leckeres und ungewöhnliches Eis gibt, war schon an der Schlange zu bemerken. Da Eis mit der Geschmacksrichtung „Lakritze“ ausverkauft war und aufgrund der Warteschlange die Bedienung nicht nachholen wollte, musste ich etwas weniger mutig sein und wählte neben zwei herkömmlichen Eissorten noch Pampelmuse-Ziegenmilch. Auch den anderen sollte es ähnlich gehen. Cola-Orange war ebenfalls ausverkauft. So musste man auf Kürbis-Apfel umsteigen. Der Kunde fühlte sich teilweise wie Harry Potter bei einem Griff in einen Sack voll mit Bertie Botts Bohnen jeder Geschmacksrichtung. Scherz beiseite: Das Eislabor kann jedem interessierten Leser nur ausdrücklich empfohlen werden. Faxe aus der Kinderserie „Wickie und die starken Männer würde sagen: „Mhhh, lecker!“

So ging es dann weiter zum Stadion: Als ersten Eindruck soll festgehalten werden, dass das Weserstadion mit seinen Photovoltaikplatten spacig, eindrucksvoll und richtig modern wirkt. Schnell ging es zu einem Kassenhäuschen, um die Werder Card zu besorgen – denn seit dieser Saison wird bargeldlos im Weserstadion bezahlt. Eine Idee, die ich im Übrigen sehr begrüße! Obwohl es bereits häufig genug kommuniziert wurde, gab es immer noch Fans, die auch außerhalb ihre Stadionwurst bar bezahlen wollten. Damit wären wir auch schon bei meinem nächsten kulinarischen Aufenthalt angekommen – der obligatorischen Stadionwurst! Diese hat sich trotz Umbau nicht verändert. Ob dies nun gut oder schlecht ist, darf der Leser für sich selbst entscheiden!

Nach einer kürzeren Wartezeit, die jeder mit Gesprächen oder umschauen vertrieben hat, ging es in die Ostkurve… Darf man überhaupt noch Ostkurve sagen? Immerhin ist es mittlerweile eine Gerade. So schnupperte ich also das erste Mal in dieser Saison Fußballstadionluft. Und ich durfte ein Spiel mit Flutlicht erleben, immerhin hatten wir die späte Ansetzung bekommen. Ich war glücklich. Wir fanden unseren Platz ganz links im Block, direkt neben dem Einlauftunnel – dies sollte später noch wichtig sein!

Das erste kuriose Highlight eines kuriosen und aufregenden Spielabends in Bremen gab es schon, als unser Wiese-Ersatzmann zum Warmspielen auflief. Jeder von uns hätte eigentlich Sebastian Mielitz erwartet, Stadionsprecher Christian Stoll belehrte uns jedoch eines Besseren, heute würde also ein Herr Mieltz das Tor hüten. Nun gut, sollte er genauso gut sein, wie der Mielitz, sollte mir das egal sein. Schnell stellte ich jedoch fest, dass Stolli bei seiner Ansage lediglich ein i vergessen hatte – dieser Schlawiner! Immerhin hatten wir dadurch unseren running gag des Abends, aber eigentlich müsste ich ja schreiben runnng gag!

Auch für das zweite Kuriosum sorgte Christian „Stolli“ Stoll, es schien nicht sein Tag zu sein. So gratulierte Stolli einem im Rollstuhl sitzenden Fan. Die Dame hatte seit zwanzig Jahren kein Heimspiel verpasst. Direkt nach seinem Glückwunsch bat er mit den Worten „Jetzt auch hier aufstehen!“ zur Werder-Hymne. Ein sprachlicher Ausrutscher, der für Amüsement, fragende Blicke und zeitgleich Entrüstung sorgte, von ihm aber natürlich so nicht gemeint war. Stolli hatte einfach nicht seinen besten Tag – wie einige anderen Bremer im Übrigen auch.

Das Spiel begann und war eigentlich auch gleich schon vorbei. Nach drei Minuten zappelte der Ball schon im Netz. Im Bremer! Ein toll gespielter Konter der Hertha traf auf eine total ungeordnete Werder-Abwehr und Ramos zum 0:1.

Aber wir wären nicht im Weserstadion, wenn das tatsächlich schon das Ende des Spiels gewesen sein sollte. Was folgte war das erwartete Bild. Der routinierte Bundesligist berannte das Tor, der Aufsteiger verließ sich clever aufs Kontern und war immer brandgefährlich. Zwanzig Minuten später gelang Werder der erhoffte und notwendige Ausgleich durch Pizarro. Halbzeit!

Durch das bargeldlose Bezahlen ging das Nachschubholen von Getränken und Speisen flott. Hatte ich eigentlich schon erwähnt, dass dieser Schritt notwendig und richtig war? Nein? Gut, bargeldloses Bezahlen ist absolut richtig! Da es auch die Möglichkeit gibt, sich das Guthaben wieder auszahlen zu lassen, ist Werder auch weit von der (Münchner-) Abzocke entfernt.

Die zweite Halbzeit begann, wie die erste endete – Werder, Werder, Werder! Nur das erhoffte 2:1 fiel einfach nicht. Darüber hinaus sorgte Schiedsrichter Brych für das Kuriosum 3 bis gefühlt 35. Hertha versuchte nun das Unentschieden mit Einsatz und Härte zu retten. Dieser Vorhaben ging bald nach hinten los. Schon früh durfte Christian Lell aufgrund wiederholten Foulspiels mit gelb-rot als Erster duschen. Ihm folgte sechs Minuten später der Torschütze Ramos. Dieser hatte es natürlich nicht eilig, den Platz zu verlassen. Naja, vielleicht steht er ja auch drauf von 39.000 angebrüllt und ausgepfiffen zu werden. Kurz vor dem Tunnel begriff er dann wohl, in welchem Maße er gerade unsportlich gehandelt hatte. Hätte der DFB die Möglichkeit ein Strafmaß für eine Gelb-Rot-Sperre zu bestimmen, hier wäre mindestens ein Spiel mehr Pflicht für ein solches Verhalten!

Spätestens ab diesem Zeitpunkt hatte Dr. Felix Brych das Spiel verloren. Die Hertha-Fans waren gegen ihn und auch die Berliner Spieler wurden nicht etwa beruhigt, sondern scheinbar noch angestachelt. Jedenfalls sahen sich am Ende vier Spieler mit gelb verwarnt und zwei mit gelb-rot vom Platz gestellt. Mit nun nur noch neun Spielern auf dem Platz war klar, dass es kein schönes Spiel mehr werden würde. Hertha stand mit allen Spielern im Strafraum und verteidigte. Werder, mittlerweile mit drei Stürmern und maximal offensiv aufgestellt, berannte und berannte das Tor. Hier muss jedoch festgehalten werden, dass die Brechstange durch die Mitte bei einer solch massierten Mauer vielleicht nicht immer die richtige Wahl ist. Hertha, nun fast chancenlos, war nur noch durch gelegentliche Konter gefährlich, dann aber brandgefährlich. Ansonsten setzte man aufs Zeitspiel.

So brachte der Schiedsrichter nun auch das restliche Stadion gegen sich auf. Höhepunkt war wohl der nicht gegebene Treffer durch Pizarro in der 81. Minute wegen vermeintlichen Foulspiels. Nun durfte auch Thomas Schaaf gehen und suchte sich den besten Platz auf der Tribüne! Das Zittern ging weiter – wie immer eigentlich, oder? Ich bin nun schon seit zwei Jahrzehnten Werder-Fan, die Stimmung war in den letzten Jahren leider nicht mehr so gut. Diesmal war jedoch wieder Schwung in der Bude, wenn auch sehr stark negativ geprägt. Das Spiel hatte nun jedenfalls alles, was das Fanherz sich wünscht – Emotion, Spannung und Zeitknappheit.

Dann, die letzte Situation, die letzte Chance, die letzten Sekunden. Der erlösende und verdiente Siegtreffer durch unsere Nummer 24 – Claudio Pizarro! Das Stadion explodierte, die Wände wackelten, die Fans jubelten! Werder siegte 2:1 in einem kuriosen und eigentlich auch schlechten Fußballspiel.

Dank des exzellent gewählten Stehplatzes waren wir in Ruf- und Hörweite von Clemens Fritz. Für Thomas wurde es so vermutlich zu einem Spiel, dass er in seinem Leben nie vergessen wird. Herzlichen Glückwunsch Thomas, behalte das Andenken in Ehren!

Nach dem Spiel hatte wohl jedes Grüppchen sein kleines, persönliches Highlight. Ein Österreicher schaffte es, Peggy sprachlos zu machen und auch ich traf kurz vor dem Hauptbahnhof eine alte Schulfreundin, die jetzt in Hannover wohnt. Wer es noch nicht wusste erkennt es an diesen Zeilen: Bremen hat den Schlüssel zur Welt, Werder öffnet sich das Tor zu den internationalen Wettbewerben!