Trainingslager-Tagebuch Belek Teil 6: Fanabend mit Tuttur-Cup!
- Details
- Geschrieben von Stefan Tönjes
Beim Vormittagstraining lernten wir Hans-Günter Klemm kennen. Er ist seit 30 Jahren Werder-Verantwortlicher des Kicker-Magazins und erklärte uns die Schwierigkeit nach so langer Zeit und Beziehung zum Verein noch die Distanz zu wahren und trotzdem mit dieser Nähe nicht durch die grün-weiße Brille zu schreiben. Das Training war sonst wenig aufregend. Die gestern geschonten Spieler mussten auf dem Platz ran, alle zum Einsatz gekommenen drehten auf dem Golfplatz einige Runden in ihren Laufschuhen. Philipp Bargfrede, Kapitän (!) beim gestrigen Finalspiel, ist leider schon wieder abgereist, da er sich gestern im Spiel gegen Wolfsburg im Zweikampf mit „Holzfäller“ Kyrgiakos eine Knieverletzung zugezogen hat. Diese Information wurde nebenbei noch Herrn Klemm vom Kicker zugearbeitet und wenig später online veröffentlicht. Gern geschehen!
Die Profis bestreiten morgen ihr letztes Testspiel in ihrem 12. Trainingslager an der türkischen Riviera in Belek gegen PEC Zwolle („Werder II“). Ich habe bereits einen Tag früher meinen Trainingsplan abgearbeitet: 8 Stunden Sport inklusive Laufen, Schwimmen und Tischtennis, wobei ich 67 km abgespult habe.
Der Tag wurde mit einem absoluten Highlight, dem traditionellen Fanabend, ausklingen gelassen. Mit von der Partie: Die Geschäftsführung um den großen Redner, Motivator und Entertainer Klaus-Dieter Fischer; den zurückhaltenden Frank Baumann; einen bierernsten Geschäftsmann Klaus Filbry als auch die zu Scherzen aufgelegte Nr. 1 hinten (Sebastian Mielitz) und vorn (Nils Petersen). Wolfgang Rolff von Betreuerseite nahm den letzten Platz im Podium ein, das grün-weiß geschmückt war. Stargast des Abends war aber der Tuttur-Cup, eine blecherne Kopie des Champions-League-Pokals, den Werder gestern gewann und somit das Vorbereitungsdouble schnürte.
Zunächst nahm Fischer die Siegerehrung im hotelinternen Tischtennisturnier mit den Fans vor. Als Wanderpokal musste ein vom Frühstück entwendetes Tischschild herhalten. Der über Nacht angereiste Klaus Filbry wurde mit einem Geburtstagsständchen überrascht und war sichtlich gerührt. Er wurde gestern 31 – zum 15. Mal! Er traf sich zuvor mit Neu-Sportdirektor Thomas Eichin, den er als angenehmen und drahtigen Typ beschrieb, der nun auch im Fußballgeschäft was bewegen und beweisen möchte. Baumann übernimmt vorerst einige Arbeiten und wurde zu seiner aktuell enormen Belastung gefragt und konterte: „Ich habe doch vorher auch schon viel gearbeitet!“ Hier in Belek spricht er wohl viel mit Spielerberatern, obwohl es schwer fällt sich ihn als knallharten Verhandlungsprofi vorzustellen.
Nils Petersen gab unter tosendem Applaus ein klares Bekenntnis für Werder ab und möchte auch nach der Saison gern noch länger in Bremen bleiben. Nach München hat er seit Sommer keinen Kontakt mehr gehabt – lediglich Matthias Sammer gratulierte ihm mal zum Geburtstag. Sebastian Mielitz tat die Hinrunde sichtlich gut: er freut sich über alles bei seinem Lieblingsverein die Nummer 1 zu sein. Er hat niemanden kopiert, sondern sich selbst in den Vordergrund gestellt, sagte er. Ebenso wolle man Kevin De Bruyne noch mindestens ein Jahr in Bremen für seine Entwicklung halten.
Dann wurde die Fragerunde eröffnet. Das erste Wort gehörte einem kleinen Jungen, den folgendes sichtlich beschäftigte: „Stören die Fangesänge im Fußballstadion?“ Aufschlussreich war auch die Auswertung der spaßigen Staffel-Trainingseinheit und deren Konsequenzen von vorgestern. Team 1 & 2 erhielten Gutscheine für den Europapark Rust und Nike-Einkaufsgutscheine. Mielitz aus Team 3 musste Felix Kroos beim Abendessen bedienen. Das letztplatzierte Team 4 muss bis zum Ende des Trainingslagers beim Essen ein T-Shirt mit der Aufschrift „Depp des Tages“ tragen.
Der Tuttur-Cup ist neben dem Liga-Total-Cup übrigens der größte Erfolg beider Spieler. In Belek hat Petersen so viel Zeit wie selten und nutzt diese, um Postkarten zu schreiben oder endlich mal wieder mit „Mutti“ zu telefonieren. Hauptamtlich schläft er aber, meint Miele. Neben Massagen, Play Station und Gesprächen sind Monopoly und Scrabble groß im Rennen!
Neben dem vielen Flachs gab es aber auch mal eine kritische Frage. Man traute sich kaum eine solche zu stellen. Ein Fan kritisierte die zu hohe bzw. nicht erfüllte Anspruchshaltung. Fischer als großer Redner wiegelte die ganze Sache gekonnt ab und bezeichnete das „Eigentliche Wunder von der Weser“ mit der Tatsache mit geringen Mitteln in einer Stadt ohne internationalen Konzern immer neue Wege zu gehen: Die Verjüngung des Kaders, die Neubesetzung der Geschäftsführung und die Intensivierung von Nachwuchs- und Scouting-Arbeit. Eine Frage zur konsequenten Diskussion um die Trainer-Position verkniff ich mir und wollte kein Saalverbot in der angenehm intimen Atmosphäre riskieren. Es wurde deutlich, dass es in der Mannschaft stimmt, dass die junge Truppe Spaß zusammen hat und dass ein selten dagewesener Teamgeist vorhanden ist. Aber bräuchte man dafür nicht einen Motivationskünstler wie Klopp oder Tuchel, um die junge Truppe zu pushen? Oder einen gestandenen Profi für eine gute Mischung, wie Steffen nachfragte. Diese wären ja mit Hunt und Fritz schon da, sagte Rolff, was uns nicht wirklich zufrieden stellte.
Nach einer 45 minütigen Fragerunde gab es zunächst vom Hotel eine kleine und sehr leckere Werder-Torte für Spieler und Fans als Überraschung. Weitere 45 Minuten konnte man sich mit den Werder-Vertretern ablichten lassen sowie den Tuttur-Cup anfassen und küssen. Ich nutzte diese Chance, um mir Souvenirs aus Belek für unsere Fanclub-Auktion signieren zu lassen. Werders Mediensprecher beendete die Veranstaltung mit der Ansage: „Der Chef-Coach hat angerufen. 22 Uhr startet die nächste Scrabble-Runde. Nils Petersen wird erwartet!“
Im Anschluss wurde ich von Radio Bremen TV um ein Interview gebeten, dass evtl. morgen 19:15 - 19:25 Uhr im Sportblitz ausgestrahlt wird. Dort habe ich vom Privattraining mit Schnittker, meiner Bundesliga-Fitness und vom Fanclub-Turnier in Halle berichtet, wofür wir sicher von Werder noch 1-2 Spieler für die Auswechselbank gebrauchen könnten. Der „WFC Grün-Weißes Sachsen“ wurde natürlich laut und deutlich zum Mitschreiben erwähnt. Der Mumpitz sprudelte nur so heraus – also macht mal einen Sendersuchlauf und schaltet ein!
Während im Hotelpool draußen bei 2 Grad einige nächtliche Arschbomben gemacht werden, verabschiede ich mich von Tag 6 aus der Türkei!
Sherefe (Prost) aus Belek!
Stefan