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FC Fulham - WERDER BREMEN

Die harsche Wahrheit zuerst: Als deutscher Fußball-Fan hat man es auf der Insel nicht gerade leicht. Abgesehen von der Tatsache, dass die meisten Briten für das teutonische Rasenballett höchstens ein lakonisches „Oh ballacks“ übrig haben (einzig und allein ein Name wird seit der WM mit Respekt gehaucht und schaffte es nach Englands schamhaftem Ausscheiden sogar auf die Titelseite des Evening Standard: „They Got Mullered“), gibt es selbst in der Hauptstadt nur drei Pubs, die die Bundesliga und die aus deutscher Sicht relevanten Europa- und Champions-League-Spiele übertragen. Je nach Verkehrslage sind alle natürlich zwischen vierzig Minuten und anderthalb Stunden mit Bus und Tube von meiner Wohnung in Westlondon entfernt. Üblicherweise zu finden bin ich daher im Zeitgeist, einem deutschen Pub in Vauxhall am Südufer der Themse, das (obwohl ein Blick auf die Speisekarte mit Käsespätzle, Obadzden, Semmelknödeln und Brotzeit anderes vermuten lässt – kein Fischbrötchen in Sicht!) recht Werder-freundlich ausgerichtet ist.

Alles in allem, keine idealen Bedingungen, aber es könnte schlimmer sein (ich erinnere mich an meinen sprachkursbedingten Aufenthalt in St. Petersburg im Februar/März 2009, der mich aus purer Verzweiflung zum Zenit-Matrosen mutieren ließ). Dennoch, wäre ich nicht in hanseatischer Zurückhaltung geübt, wäre ich vermutlich in Jubelgeschrei ausgebrochen, als ich der Werder-Homepage entnahm, dass unsere Elite am 7. August in Craven Cottage, der Heimat des Fulham FC, zum Testspiel auflaufen würde. Flugs hatte ich meine Freunde Steffen, Ex-Freiberger und mittlerweile seit über zwei Jahren in London wohnhaft und Gareth, ManU-Fanat nordirischer Herkunft, davon überzeugt, mich zum Spiel zu begleiten, die Karten waren geordert, das Werder-Shirt gebügelt und der große Tag konnte kommen.

Als der Morgen des 7. August anbrach, strahlte die Sonne vom Himmel, was ich als gutes Omen auffasste. Auf dem Weg nach Putney Bridge, wo sich der Eingang zum Auswärtsbereich von Craven Cottage befindet, tat ich mein Bestes um Gareths Gesangstalent, das mich ausdauernd mit Hymnen wie „Özil for Uni-i-ted“ erfreute, zu ignorieren und Steffen, der uns in einem Pub in Putney erwartete und von dort zunehmend panische SMS verschickte („Alles voller Werder-Fans hier! Komm und hol mich!“). Was genau sein Problem war, verstand ich leider erst, als wir endlich im The Eight Bells aufschlugen – ganz offensichtlich hatten ein paar Herren mit aggressivem Verhalten es geschafft, Tickets zu ergattern, waren bereits betrunken und grölten „HASS HASS HASS“ durch die Gegend, dass es dem ehemaligen Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda alle Ehre gemacht hätte. Angesichts dieses Szenarios hatte ich entsprechend Schwierigkeiten, Gareth und Steffen das Konzept der „fairsten Fans der Liga“ zu erklären, aber glücklicherweise war es dann auch schon Zeit, sich auf die Ränge zu begeben. Irgendwann in der Zwischenzeit hatte sich die Sonne verabschiedet und es sah bedrohlich nach Regen aus, weswegen ich sehr dankbar war, dass unsere Plätze recht weit oben unter der Überdachung waren, und nachdem ein verirrter Fuchs (!) über die Ränge nach draußen gejagt worden war, ging es auch schon los!

Obwohl das englische Wetter seinem Ruf mal wieder alle Ehre machte und es es wahrhaft wie aus Eimern schüttete, begann das Bremer Spiel sehr zügig und schwungvoll. Da ich aus Eitelkeit meine Brille zu Hause gelassen hatte, bekam ich leider von der ersten Halbzeit herzlich wenig mit, da sie fast ausschließlich in der Fulhamer Hälfte stattfand. Wiese stand ziemlich einsam hinten, da auch Mertesacker und Prödl mehr vor als hinter der Mittellinie zu finden waren. Trotz einiger sehr guter Möglichkeiten haperte es mal wieder an der Chancenauswertung, weswegen Pizzas Tor nach nur einer Viertelstunde leider das einzige blieb. Dennoch, eine sehr starke erste Halbzeit, die unter keinen Umständen das Drama vermuten ließ, das nun folgen sollte...

Obwohl Fulham in der zweiten Halbzeit kontinuierlich das halbe Team austauschte, hatten die Engländer auf einmal keinerlei Probleme mehr, ins Spiel zu finden. Nach zehn Minuten gelang Zamora der Ausgleich, und ab da schien es, als hätten die Bremer das Konzept „Freundschaftsspiel“ falsch verstanden, so großzügig wie sie ihren Gastgebern Chancen um Chancen anboten, welche diese natürlich ausnutzten und verwandelten. Und verwandelt. Und verwandelten. Meine Mitbewohnerin Lauren, eingefleischter Fulham-Fan, versorgte mich vom anderen Ende des Rasens per SMS fröhlich mit Details über Fulhams Spiel, die mir auf Grund meiner Brillenlosigkeit zunächst erspart geblieben waren. So erfuhr ich unter anderem, dass der vortreffliche Unglücksrabe, der innerhalb von zehn Minuten sein erstes Hattrick vollendete, Zoltan Gera heißt und für die ungarische Nationalelf spielt...

Eine Tatsache freute jedoch wenigstens den gehässigen Teil meines Wesens: Gerüchten zufolge war ein Talentscout von Arsenal im Cottage, um sich Özil anzuschauen, aber da seine Performance nach seiner Einwechslung für Borowski relativ blass blieb, blieb ein Angebot von den „Gunners“ wohl dementsprechend aus.