Nach Spielende wurde noch das obligatorische Gruppenfoto geschossen und schon recht bald, nach Rücktausch der Verzehrkarte und ein paar Diskussionen über das Spiel, trennten wir uns, um den Heimweg anzutreten. Hätte ich gewusst, was mir passieren würde, ich wär noch länger dageblieben:
Da es sich um das „kleine Nordderby“ handelte rasselten bereits vor dem Spiel Idioten, die sich selbst als Fans bezeichnen aufeinander, sodass die Polizei einschreiten musste. Gab es nicht eigentlich eine Lagertrennung? Ja, aber nur bis zum Oktoberfest!
Ich machte mich zurück zum Hauptbahnhof auf und verpasste den Zug um etwa zwei Minuten. Wäre ich gerannt, hätte ich ihn noch bekommen, da er eh etwas später losfuhr. Den Entlastungszug ab Hannover-Linden wollte ich nicht nehmen, da ich den Weg erst hätte erfragen müssen.
An dem Wochenende waren mehrere Veranstaltungen in Hannover: Oktoberfest, Tag der Niedersachsen, verkaufsoffener Sonntag und eben das Bundesligaspiel. Dies wird gleich noch wichtig werden!
Ich nutzte also die Zeit, holte mir etwas zu essen und trank auch ein kleines Frustbierchen. Gegen 19 Uhr wurden die Werder-Fans aus dem Gästeblock durch die Polizei zum Gleis eskortiert. Wie ich später mitbekam wurden bereits am Stadion Pfefferspray eingesetzt und Hunde auf die Fans losgelassen. Warum kann ich nicht sagen. Ich erwähnte aber, dass die Polizisten „freundlich“ waren?
Früh stieg ich in den Zug und bekam nicht mit, wie voll der Zug schließlich wurde. Mein Abteil war normal gefüllt, aber nicht überfüllt. Alle Sitzplätze besetzt, drei oder vier Stehplätze in Gebrauch. In anderen Abteilen sah das wohl ganz, ganz anderes aus. Logisch bei den ganzen Parallelveranstaltungen. Der Zug bot Platz für 500 Personen, Medien berichteten später von 800 – 1000 Personen.
Kurz hinter dem Bahnhof Neustadt am Rübenberge gab es eine scharfe Bremsung und der Zug blieb stehen, das Drama begann. Es kam keine Durchsage, keine Erklärung. Je länger die Standzeit betrug, desto fragender und hitziger wurde die Stimmung. Am Ende standen wir ca. eine Stunde in der Walachei. Aus den überfüllten Abteilen kamen zwei Fans zu uns, die uns berichteten, dass dort der Schweiß von der Decke tropfte und Sardinen mehr Platz hätten. Da zwischenzeitlich für 30 Minuten die Klimaanlage ausfiel, bat einer der Hinzugekommen die Fenster einzuschlagen. Dies war nicht etwa scherzhaft gemeint, sondern ernst. Ein Anflug leichter Panik war in seinen Augen zu erkennen. Sein Kreislauf eh stark geschwächt. Eine Durchsage bekamen wir die gesamten 60 Minuten nicht zu hören. Mich machte dieses unmögliche und verantwortungslose Verhalten der Bahn richtig wütend. Wer mich kennt, weiß, dass das gaaaaaaaanz lange dauert.
Irgendwann waren Blaulicht und Taschenlampe in der düsteren Nacht, welche wir durch das Fenster sahen, zu erkennen. Die ersten Gerüchte machten die Runde. Es war von einer Schlägerei die Rede, von Personenschäden, auch von einem Selbstmörder, der sich vor den Zug geworfen hätte. Ob das an der Strecke lag, die wir gefahren sind? Man erinnere sich an Robert Enke. Auch dieses sorgte für zusätzliche Nahrung bei den panischen Passagieren. Auch etliche Scheiben waren aus lauter Panik eingeschlagen worden, um die Abteile mit Frischluft zu versorgen. Irgendwann waren auf der anderen Seite der Fenster Personen zu sehen. Die Türen waren auf und die Passagiere auf den Gleisen. Was war los? Was ist passiert? Wie geht es weiter?
Nach 60 Minuten die erste Durchsage: „Bitte alle einsteigen, wir wollen dann gerne in den Bahnhof Neustadt zurückfahren!“ Fantastische Durchsage, warum sollen wir zurück, da waren wir doch schon! Mein Abteil gröhlte, wenn auch weniger aus Freude. Der Zugführer realisierte wohl seinen Fauxpas und meldete sich erneut. In Neustadt stünden drei Busse, die uns weiter transportieren sollten und wir mögen zusätzlich auf die Durchsagen am Bahnsteig achten. Drei Busse? Im Zug sind mehr als 500 Personen. Wollen die uns auf den Arm nehmen?
Es ging also zurück nach Neustadt. Dort ausgestiegen kamen natürlich keine Durchsagen und es schien sich auch niemand um uns zu kümmern. Irgendwie folgte jeder jedem und wir fanden uns auf dem Bahnhofsvorplatz ein, wo die Busse standen, die Feuerwehr, Polizei und Rotes Kreuz. Hier wurden auch die Verletzten (drei Menschen mussten mit Kreislaufkollaps ins Krankenhaus gebracht werden) behandelt. Ansonsten kam keine Durchsage. Mittlerweile gab es das Gerücht, es gäbe freie Getränke. Ein Werder-Fan brüllte, es gäbe Freibier und mehrere Dutzend Fans brachen in Panik aus und stürmten den kleinen Kiosk in Neustadt. Nur durch den blitzschnell erfolgten Polizeieinsatz konnten die Fans beruhigt werden und vermutlich die kleine Tür des Kiosks vor schweren Beschädigungen gerettet werden. Erwähnte ich, dass es keine Durchsagen gab? Diese blinde Panik hätte meiner Meinung nach auch verhindert werden können.
Nun wollte die Polizei Informationen durchgeben, wurde aber durch einige immer noch aufgebrachte Werder-Fans zum Schweigen gebracht. Ich war also nicht schlauer. Irgendwann machte die Information die Runde, dass es zurück in den Zug gehe. Der, der einige Minuten durch die Feuerwehr untersucht wurde und uns nur noch nach Neustadt zurückbringen konnte. Warum waren wir also gestoppt? Die Fans sollten sich auf den stehengebliebenen und den folgenden, natürlich auch verspäteten Zug verteilen. Dennoch dauerte die Abfahrt weitere 30 Minuten. Warum einige Fans immer wieder rein und raus mussten, um andere Mitglieder ihrer Gruppe zu suchen, nur um am Ende, dann doch nicht mit allen im gleichen Zug zu sitzen, bleibt mir ein Rätsel.
Doch, nicht nur ich war zu dem Zeitpunkt äußerst geladen, auch andere, sonst friedliche Fans, waren richtig stinkig. Auch Vertreter der Ultras meldeten sich zwischenzeitlich aus dem Führerstand. Sie versuchten für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Jedenfalls behaupteten sie das. Das hätten sie aber auch sein lassen können. Die Aktion war lächerlich und unproduktiv. Während der Rückfahrt fiel mehrmals das Licht aus – der Zug konnte also wohl nicht so ganz in Ordnung sein.
Während der Rückfahrt konnte ich Gespräche zwischen Fans und Polizisten belauschen und konnte somit erfahren, was wohl wirklich passiert war. Es gab keine Schlägerei im Zug. Der Stillstand des Zuges ist wohl durch das Ziehen einer Notbremse verursacht worden. Es soll wohl auch ein Kabel beschädigt worden sein, weswegen der Zug anschließend nicht weiterfahren konnte und dafür sorgte, dass Klimaanlage und Gegensprechanlage ausgefallen waren. Das behauptet zumindest die Deutsche Bahn und eine Zeitung. Die meisten anderen Zeitungen sprachen lediglich von der Kabelverbindung zum Triebwagen und deswegen der langen Wartezeit. Auch was das Öffnen der Türen anbelangt gibt es unterschiedliche Ursachen. Mal sagt die Polizei, sie hätten für das Sperren der gesamten Bahnstrecken zwischen Bremen und Hannover gesorgt und anschließend das Öffnen der Türen veranlasst. Die Deutsche Bahn gibt an, dass der Zugführer dieses aufgrund der ausgefallenen Klimaanlage veranlasst hätte. Es gibt aber etliche Fans, die behaupten, dass sie über die Nottüröffner die Türen selbst geöffnet hätten, um frische Luft zu besorgen. Anschließend musste die Polizei schnell reagieren, um die Bahnstrecke zu sperren. Anhand meiner Erfahrungen glaube ich letzteres, passt auch zu den eingeschlagenen Fenstern. Die Deutsche Bahn sprach im Anschluss im Übrigen von einigen zerkratzen und eingeschlagenen Fenstern, sowie abgerissenen Dachabdeckungen und versuchen somit „Fußballfans“ mal wieder in ein schlechtes Bild zu rücken. Dass die eingeschlagenen Fenster vermutlich mit der Überfüllung und der ausgefallenen Belüftung zu tun hatte, übersieht sie natürlich absichtlich. Auch zur Überfüllung hat die Bahn eine Ausrede parat: In Zügen gäbe es auch Stehplätze. Richtig, warum aber bei Fußballspielen, Entlastungszüge kaum bis gar nicht angekündigt werden und die Züge bis zwei Stunden nach Abpfiff nicht durch längere Züge ersetzt werden, ist mir unverständlich. Höhepunkt der Bahn-Ausrede: Werder Bremen hätte ja einen Sonderzug beauftragen können! Auch ein technischer Defekt wurde zu Beginn nicht ausgeschlossen. Eine Körperverletzung sorgte auch in den Medien für das Gerücht, es hätte eine Schlägerei gegeben. Dieses wurde durch die Polizei jedoch dementiert. Die Körperverletzung bestand vermutlich in einer verletzten Faust eines Fans, der sich beim Versuch die Scheibe mit der Hand einzuschlagen verletzt hatte.
Auf der nun endlich stattfindenden Rückfahrt zeigten einige Werder-Fans ihre dunkle Seite. Kurz nach Achim sprach sich herum, dass auch die Schalke-Fans nicht weiterkonnten und im Hauptbahnhof in Bremen festgehalten wurden. Schnell wurde im Zug geplant, wie man sich mit den Schalkern treffen könnte. Dabei sollte es nicht um ein nettes Bierchen miteinander gehen. Doch auch die Polizei reagierte schnell und informierte noch aus dem Zug heraus die Bremer Polizei, die beide Gruppierungen voneinander trennte, sodass es nur zu kleinen Auseinandersetzungen gekommen sein dürfte. Bei den Randalen der Schalker Fans im Bremer Hauptbahnhof sind jedoch einige Polizisten verletzt worden. Diesen wünsche ich auf diesem Wege gute Besserung! Warum gibt es „Fans“, für die es das Größte ist, während eines Spieltages zu randalieren und sich mit „Fans“ anderer Vereine zu prügeln? Für mich habt ihr im Stadion nichts zu suchen! Überraschend für mich war, dass es viele sehr junge Personen waren, den du das häufig nicht ansiehst, wie sie ticken. Auch das einige Mädchen in erster Linie die Konfrontation suchten war für mich in diesem Ausmaße überraschend! Was genau im Zug passiert ist, wird wohl niemand mehr erfahren. Die Zeitungen berichten zumindest nicht mehr über den Zwischenfall. Einige, wenige Werder-Fans haben mich sehr enttäuscht, weil mich das Ausmaß randalierender, pöbelnder und schlagender Personen sehr erschreckt hat und hoffe, dass es nur aufgrund der katastrophalen Rückfahrt war.
Nach lediglich 120 Minuten Verspätung kamen wir dann endlich in Bremen an, nur um dort von der Polizei weggedrängt zu werden. Ihr erinnert euch? Die Schalke-Fans? Da ich eh zu Burger King wollte, störte mich das nicht. Vier Stunden später als geplant war ich endlich in meinem Bettchen und schlief sofort ein!
Wir sehen uns nächstes Jahr Hannover, denn in Hannover ist immer was los. ;)