Andere verbringen ihr Wochenende mit ihren besseren Hälften, gehen gemütlich zum Abendessen oder Cocktails trinken, ins Kino oder Theater. Fußball-Fans aber setzten sich gerne auch mal für ihren Verein 14 Stunden in ein Auto und fahren 1.300 Kilometer an einem Tag durch einen Schneesturm auf gefährlich glatter Autobahn. An Tagen, wie dem 30.01.2010, auf der Heimreise von Mönchengladbach, fragt man sich dann schon als Werder-Fan, warum man sich das eigentlich antut.
Die Vorzeichen standen für beide Teams nicht gut. Den Fohlen gelang genauso wie Werder in der Rückrunde noch kein Sieg, dennoch konnten sie mit ihrer gesicherten Mittelfeldposition zufriedener sein als die bis dahin viermal in Folge geschlagenen Bremer. Mit Claudio Pizarro stand ein Langzeitverletzter wieder zur Verfügung, sodass Werder nahezu in Bestbesetzung antreten konnte. Wir waren optimistisch, dass es mit 3 Punkten klappen würde, das Spiel ging schließlich bei 0:0 los, der Rasen satt grün und das Stadion nahezu voll. Sämtliche Ticket-Einnahmen wurden übrigens zugunsten der Aktion „Ein Herz für Kinder“ gespendet, die den Erdbebenopfern in Haiti zugute kommen sollten.
Das Spiel war kaum angepfiffen, da lag Werder schon 3:0 hinten, nach einer guten halben Stunde schossen die Borussen sogar eine 4:1-Führung heraus. Dabei konnten die Gladbacher als Heimmannschaft nach Herzenslaune im eigenen Stadion kontern, sich in Slapstick-Manier den Ball im Strafraum zuschieben und im Tor versenken. Besonders der Neu-Tunesier Aymen Abdennour machte eine äußerst unglückliche Figur und war sichtlich überfordert mit dem schnellen Bundesliga-Fußball. Er stand viel zu offensiv und wurde hinten regelrecht übertölpelt. Dabei hatte es sich schon in den ersten beiden Bundesligaspielen bis in die Kreisklasse rumgesprochen, dass man gegen Werder über die linke Abwehrseite angreifen sollte. Umso fragender schauten sich die 3.000 Werder-Fans im Gästeblock an, als nach dem Pausentee der Tunesier den Platz wieder betrat, hatte es doch lautstarke „Petri-Pasanen-Rufe“ gegeben. Es wird wohl das Geheimnis von Thomas Schaaf bleiben, warum der Finne selbst in dieser Situation nicht zum Einsatz kam. Da wünschte man sich glatt Dusko Tosic auf den Rasen.
Sei es drum, dem Tunesier unterliefen keine weiteren Fehler, er durfte auch bald duschen und es wäre auch zu einfach, die Niederlage an einer Person festzumachen. Enttäuschender als das Scheibenschießen in Hälfte eins waren vielmehr die planlosen Angriffsversuche in Hälfte zwei, als mit Almeida, Pizarro, Marin, Hunt, Özil und Rosenberg gleich 6 torgefährliche Offensivkräfte mit dem Kopf gegen die Wand liefen und keinen Mumm zeigten, das Spiel noch zu drehen.
Mittlerweile deutet vieles auf eine Wiederholung der letzten Saison nach dieser bitteren 4:3-Pleite bei der Elf vom Niederrhein hin. Man braucht sich in Bremen keine Gedanken um internationale Platzierungen zu machen, es muss sich grundlegendes am Spiel und der Taktik ändern, um wieder ein Spiel zu gewinnen, denn gestern hätten wir wohl auch gegen den SV Traktor Kalkreuth aus der Kreisklasse verloren. Im Hinblick auf die Feierlichkeiten für das 111-jährige Jubiläum sollte die Mannschaft schnell Charakter zeigen, sonst wird dieses Fest ganz schnell stimmungsmäßig kippen und in peinlicher Erinnerung bleiben. Natürlich sollte die Mannschaft in guten wie in schlechten Zeiten bedingungslos unterstützt werden, aber die gestrigen „Wir wollen euch kämpfen sehen!“- und „Wir haben die Schnauze voll!“-Rufe waren vollkommen berechtigt!